Palliative Care und wie ich zu ihr fand...
Viele Jahre war ich als examinierte Krankenschwester in einem ambulanten Pflegedienst tätig. Ich versorgte Menschen mit lebensbegrenzenden Erkrankungen ohne die besonderen Kenntnisse palliativer Begleitung oder hospizlicher Haltung. Als Kompass diente mir mein Verständnis von zugewandter Pflege und Achtung ihrer Würde.
Immer wieder wurden Patientinnen und Patienten in ihren letzten Lebenstagen in ein Krankenhaus eingewiesen, weil sich Beschwerden wie Schmerzen, Übelkeit oder Atemnot im häuslichen Umfeld nicht zufriedenstellend behandeln ließen.
Zu keiner Zeit zweifelte ich diese Einweisungen an.
Nicht selten verstarben die Patienten kurz darauf im Krankenhaus, nach der kräftezehrenden Prozedur diagnostischer Maßnahmen oder dem Legen von Kathetern und Sonden, die nichts mehr bewirken konnten.
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Als ich mein Tätigkeitsfeld im Jahr 2010 in eine Einrichtung der Eingliederungshilfe verlegte, kam ich als Beratende Pflegefachkraft erstmals mit der Palliativpflege in Berührung, denn zu diesem Zeitpunkt waren dort bereits die ersten Schritte hinsichtlich einer hospizlichen Kultur eingeleitet worden.
Es faszinierte und berührte mich, dass plötzlich die Bedürfnisse des sterbenden Menschen und nicht das Ausschöpfen
aller medizinischen Möglichkeiten im Fokus standen.
Ich wollte mehr darüber wissen, wollte lernen, palliativpflegerisch zu denken und zu handeln. Die Weiterbildung zur Palliative Care Fachkraft für Mitarbeitende in der Begleitung von Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen an der Christophorus Akademie des Klinikums München Großhadern
öffnete mir eine völlig neue Sichtweise.
Ich danke der wundervollen Barbara Hartmann für alles,
was ich von ihr und durch sie lernen durfte.
Das Hospiz- und Palliativgesetz möchte allen Menschen
den Zugang zu palliativen Angeboten ermöglichen.
Doch wie kann dieser Zugang Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen in Einrichtungen eröffnet werden, wenn es den begleitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an entsprechenden Kompetenzen fehlt?
Wie kann würdevolles Sterben in diesen besonderen Wohnformen gelingen?
Oftmals herrscht große Unsicherheit, und Mitarbeitende stoßen an ihre Grenzen, wenn sie einen Bewohner mit einer fortgeschrittenen, unheilbaren Erkrankung oder in der Trauer um einen nahen Angehörigen begleiten sollen, ohne über entsprechendes Wissen zu verfügen.
Fragen, Gedanken, Ängste tauchen auf:
"Warum isst er denn nichts mehr?"
"Wenn wir doch nur wüssten, ob sie Schmerzen hat!"
"Wir können ihn doch nicht verdursten lassen!"
"Ob sie begreift, dass ihre Mitbewohnerin sterben muss?"
"Was versteht er überhaupt vom Sterben?"
"Können wir ihm die Wahrheit zumuten?"
"Woher wissen wir, was er will? Er kann es uns doch nicht sagen."
"Wer kann uns helfen?"
"Was machen wir, wenn es so weit ist?"
"Und was passiert danach?"
Alle Fragen dürfen gestellt, alle Ängste benannt werden.
So war es auch, als ich zum ersten Mal gemeinsam mit dem Team einer Wohngruppe einen Bewohner mit einer geistigen Beeinträchtigung
auf seinem letzten Weg begleitete.
Wir lernten alle.
Und wir verstanden, dass es nicht darum ging,
die Anzahl der verbleibenden Tage zu verlängern,
sondern unseren Bewohner in dieser Zeit so bedürfnisgerecht wie möglich
zu begleiten, seine Beschwerden zu lindern,
sein Wohlbefinden zu fördern,
da zu sein,
mitzutragen
auszuhalten.
Bis zu seinem letzten Atemzug.
Nichts anderes.
Mein Dank gehört den Menschen, deren letzten Weg ich begleiten durfte.
Es war jedes Mal ein Geschenk.
Wer sein Ziel weit steckt, hat viel Raum zum Wachsen (S. Schuber)
Michaela Abresch
- Exam. Krankenschwester
- Beratende Pflegefachkraft der Gemeinnützigen Gesellschaft für Behindertenarbeit Hachenburg
- Fachkraft Palliative Care
- Fachkraft Aromapflege
- Zertifizierte Moderatorin 'Palliative Praxis' nach der Zertifizierungsordnung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin